Pressemitteilung vom 05. April 2022

Stellungnahme zum Lobbyregistergesetz

Das Bündnis für Gemeinnützigkeit begrüßt die Einführung des Lobbyregisters und die damit einhergehende Verbesserung der Transparenz über politische Einflussnahme von privaten, politischen, wirtschaftlichen und auch zivilgesellschaftlichen Akteuren. Auch die in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Erweiterung auf den legislativen Fußabdruck entspricht einer langjährigen Forderung aus dem Sektor.

Bürgerschaftliches Engagement und die Partizipation von zivilgesellschaftlichen Akteuren an politischen Prozessen und Gesetzgebungsverfahren sind für die Vorbereitung praktikabler und gesellschaftlich akzeptierter Entscheidungen wesentliche und vielfach notwendige Elemente. Auch zur Erreichung vieler gemeinnütziger Zwecke gehört die politische Betätigung für diese Zwecke, die so genannte public interest advocacy. Mit dem Lobbyregister und der Eintragung vieler zivilgesellschaftlicher Akteure geht daher auch der Anspruch einher, diese an relevanten Entscheidungen aktiv zu beteiligen.

Viele Verbände und Bündnisse aus dem Dritten Sektor setzen sich seit vielen Jahren für Initiativen und Standards zu Transparenz ein, um über ihre Arbeit gegenüber Spender*innen und der Öffentlichkeit Auskunft zu geben. Mehrere tausend Organisationen verschiedenster Themenbereiche und Größen nutzen diese Standards. Solche Standards sind auch für den Bereich der Einflussnahme auf politische Prozesse anwendbar.

Die Bundestagsverwaltung hat für die Ausgestaltung des Lobbyregisters nach dem aktuellen Stand des Gesetzes die Besorgnisse von Nichtregierungsorganisationen angehört und das Register, dort wo es möglich war, auf diese Bedürfnisse ausgerichtet. In der Praxis zeigen sich jedoch Grenzen und Probleme, bei denen das Lobbyregistergesetz zu nicht intendierten Wirkungen und Belastungen führt, die insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen zu tragen haben und die das bürgerschaftliche Engagement erschweren.

Aus Sicht der im Bündnis für Gemeinnützigkeit organisierten Verbände ergibt sich mit der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Überarbeitung des Lobbyregistergesetzes die Möglichkeit für Nachbesserungen. Bei der Überarbeitung sollten nicht beabsichtigte Auswirkungen auf Interessen von Spender*innen und spendensammelnden Organisationen, bürokratische Belastungen und Haftungsrisiken für gemeinnützige Organisationen überprüft und in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden. Mit dieser Stellungnahme unterbreiten wir konstruktive Vorschläge für eine Überarbeitung des Lobbyregistergesetzes.

Herausforderungen aus Sicht gemeinnütziger Organisationen

  1. Der weite Anwendungsbereich sowie die unklaren Kriterien zur Eintragungspflicht erfordern von vielen Organisationen, die sich auch nur gelegentlich an Kampagnen, Briefaktionen, Forderungspapieren beteiligen, eine Eintragung in das Lobbyregister. Dadurch entstehen Bürokratieaufwand und zusätzliche Haftungsrisiken, die gerade kleinere Organisationen davon abhalten können, sich für politische Themen einzusetzen. Damit bewirkt das Lobbyregister die Einschränkung von Möglichkeiten der politischen Partizipation und Mobilisierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen für gesellschaftlich wichtige Themen und Veränderungen in der Gesellschaft. Für das Parlament und die Bundesregierung droht damit eine Entkopplung des politischen Handelns von der Zivilgesellschaft. Die Einschränkung des politischen Handelns zivilgesellschaftlicher Organisationen und des bürgerschaftlichen Engagements ist ein unbeabsichtigter Nebeneffekt des Lobbyregistergesetzes, der die Demokratie schädigen kann und daher bei der anstehenden Gesetzesnovelle beseitigt werden muss.
  2. Die Veröffentlichungspflicht von Schenkungen Dritter stellt eine wesentliche Veränderung der Bedingungen für private Großspender*innen und die Spendenakquise dar. Mit dem Lobbyregister entsteht faktisch ein Spenderinnenregister. Dabei wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass viele zivilgesellschaftliche Organisationen zweckgebundene Spenden erhalten, die ausschließlich der Umsetzung konkreter Projekte dienen sollen. Durch die Publizität der Namen wird ein Teil der Großspender*innen von Spenden für die unmittelbare Umsetzung der gemeinnützigen Zwecke abgebracht werden. Die Gründe dafür sind verschieden. So befürchten sie, dass sie wegen ihrer Spenden mit Spendenbitten, Rechtsstreitigkeiten oder gar verbalen oder tätlichen Anfeindungen und Ähnlichem überzogen werden.
  3. Die Veröffentlichungspflicht von Schenkungen Dritter führt zu einer unverhältnismäßigen bürokratischen Belastung vor allem für kleine gemeinnützige Organisationen, die in der Abwägung mit dem intendierten Ziel der Transparenz über politische Einflüsse auf eine Organisation auch durch einfachere Mittel erreicht werden, kann.
  4. Die Aktualisierungspflichten zu verschiedenen Daten (vier verschiedene Fristen im Jahr) sind für kleine, insbesondere ehrenamtliche Vereine, die in den Anwendungsbereich des Lobbyregistergesetzes fallen nicht zumutbar. Dies ist insbesondere in dem Kontext zu sehen, dass gemeinnützige Akteure sich je nach Tätigkeitsgebiet und Rechtsform in stetig steigende Zahl von Registern eintragen müssen (Vereinsregister, Transparenzregister, Lobbyregister, Stiftungsregister, Zuwendungsempfängerregister, Transparenz- und Lobbyregister von Bundesländern).
    Die hohen Bußgelddrohungen auch für den Fall von fahrlässigen Nichteintragungen, nicht rechtzeitigen Eintragungen bzw. fehlerhaften Eintragungen erhöhen die Anforderungen und Haftungsrisiken für ehrenamtliche Leitungspersonen in gemeinnützigen Organisationen. In der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung ist vorgesehen, die Haftungsrisiken für Ehrenamtliche zu senken.

Lösungsansätze

  1. Anpassungen für den Anwendungsbereich

    Der Anwendungsbereich muss insbesondere im Hinblick auf gemeinnützige, vielfach ehrenamtlich arbeitende Organisationen angepasst werden. Dazu könnte eine klarstellende Formulierung in § 2 Abs. 1 bzw. eine einschränkende Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 LobbyRG dahingehend erfolgen, dass für die Regelmäßigkeit eine höhere Intensität der politischen Einflussnahme erforderlich ist. Damit könnten Organisationen von der Registrierung entlastet werden, die sich nur gelegentlich (z. B. zwei bis dreimal pro Jahr) an der Mitzeichnung von Aufrufen und Positionspapieren oder Briefen beteiligen. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, nach der insbesondere professionelle und konzentrierte Einflüsse auf Gesetzgebungsverfahren und politische Entscheidungsprozesse transparent gemacht werden sollen. Lösungsmöglichkeiten ergeben sich z. B. durch:
    • eine Einschränkung des Anwendungsbereichs für Organisationen, bei denen Interessensvertretung kein wesentlicher Teil der Tätigkeit ist,
    • eine Einnahmengrenze von bis zu 1.000.000 € Jahr als Abgrenzungskriterium
    • eine Einschränkung könnte auch durch eine Anpassung bzw. Klarstellung von § 2 Abs. 1 LobbyRG zur notwendigen Intensität der Interessensvertretung erfolgen. Danach sollte es Organisationen möglich sein, sich z. B. im Rahmen der Mitzeichnung von Aufrufen oder Positionspapieren der Beteiligung an Kampagnen oder Briefaktionen an der Interessensvertretung zu beteiligen. Die Erstkontaktaufnahme zu Mitgliedern des Bundestages muss weiterhin ohne vorherige Eintragung möglich bleiben.
  2. Veröffentlichungspflichten

    Die Veröffentlichungspflichten für Zuwendungen und Schenkungen Dritter sollten dergestalt angepasst werden, dass analog zu den Vorgaben der Initiative Transparente Zivilgesellschaft Zuwendungen und Schenkungen Dritter angegeben werden müssen, die mehr als 10% der Gesamteinnahmen ausmachen. Damit würde die Regelung einerseits der Intention gerecht werden, dass der Einfluss wesentlicher Geber auf die Organisation deutlich wird und andererseits der bürokratische Aufwand stark sinken, weil die meisten Akteure damit auf Daten zurückgreifen können, die regelmäßig und in gleicher Form von allen Unterzeichnern der Initiative Transparente Zivilgesellschaft aufbereitet werden. Gleichzeitig wird die Transparenz des Dritten Sektors weiter gestärkt, weil die Vorgaben der Initiative Transparente Zivilgesellschaft als Einstiegsnorm für Transparenz gesetzt werden. Diese Vorgaben sind auch für kleine, vorwiegend ehrenamtlich arbeitende Organisationen erfüllbar und werden von vielen größeren Organisationen als Basisstandard für Transparenz genutzt.

    Klarnamen von natürlichen Personen sollten nicht im Register öffentlich einsehbar sein. Eine solche Regelung ist im Sinne des Schutzes der Persönlichkeitsrechte von Spender*innen geboten. Mit der aktuellen Regelung wird die Freiheit von Spender*innen eingeschränkt, sich ohne öffentliche Namensnennung für durch die Abgabenordnung als gemeinnützig oder mildtätig eingestufte Zwecke einzusetzen. In der Abwägung des Publizitätsinteresses über die Finanzierungsquellen von Interessensvertreter*innen gegenüber den Persönlichkeitsrechten von Spender*innen liegt mit den Anforderungen der Initiative Transparente Zivilgesellschaft ein hinsichtlich der Veröffentlichung von Einzelspenden milderes und unbürokratischeres Mittel vor. Schließlich werden durch die vorgeschlagene Regelung auch die Interessen von spendensammelnden Organisationen gewahrt, die befürchten, dass bei einer Pflicht zur Veröffentlichung der Klarnamen von Einzelspender*innen die Einnahmen aus Großspenden für gemeinnützige Zwecke deutlich zurückgehen.
  3. Bußgeldverfahren und Aktualisierungsfristen
    • Die Bußgeldregelung sollte dergestalt angepasst werden, dass vor Erlass eines Bußgeldbescheides ein Hinweis bzw. eine Anhörung mit Androhung eines Bußgeldverfahrens erfolgen muss.
    • Die verschiedenen Aktualisierungspflichten/-fristen sollten dergestalt vereinfacht werden (z. B. generell eine jährliche Aktualisierung), dass ein Monitoring der Fristen einfacher wird. Der Bedarf für nur jährliche Aktualisierung erscheint zum Beispiel auch mit Blick auf den zeitlichen Bedarf für die Erarbeitung- und Beschlüsse in gemeinnützigen Organisationen erforderlich.
  4. Registervereinfachungen/Vereinheitlichung

    Im Sinne des Bürokratieabbaus für gemeinnützige Organisationen sollten beachtet werden, dass diese bereits mit Eintragungspflichten in viele verschiedene Register belastet sind. Nach dem Grundsatz der Datensparsamkeit sollte darauf geachtet werden, dass sehr viele von einem Register geforderten Datensätze durch Verweis auf ein anderes Datenregister geliefert werden können und nicht jeweils immer wieder neu eingegeben werden müssen. So könnten die Stammdaten eines Vereins im Lobbyregister durch einen Verweis bzw. eine Verlinkung zu den Angaben im Vereinsregister angegeben werden.

Mit freundlichen Grüßen
der Sprecher:innenrat des Bündnis für Gemeinnützigkeit

Kirsten Hommelhoff

Erich Steinsdörfer

Jan Wenzel


Downloads

Cookie Einstellungen

Durch die Nutzung dieser Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Detaillierte Informationen über den Einsatz von Cookies auf dieser Webseite erhalten Sie in der Datenschutzerklärung.

  • Standard
    Wesentliche Services und Funktionen
  • Komfort
    Ermöglicht Komfortfunktionen dieser Webseite (beispielsweise die Darstellung von Videoinhalten (Youtube, Vimeo) oder die Ortung durch Google Maps)
  • Performance
    Zur Optimierung des Usererlebnisses durch die Erfassung und Auswertung des Besuchsverhaltens.